Test: Native Instruments Thrill – Sample-Library
Wer unheimliche oder düstere Klangkulissen braucht, machte sich bislang oft quer durch sein Sample-Archiv auf die Suche. Native Instruments' Thrill bietet nunmehr eine große Kollektion für genau diesen Zweck und verspricht dazu eine Echtzeitgestaltung cineastischer Spannungskurven über ein XY-Pad.

Thrill wurde in Zusammenarbeit von Native Instruments und Galaxy Instruments entwickelt. Die Motive bewegen sich zwischen Spannung und Horror. Thrill ist dabei vorrangig samplebasierter Effektklang-Generator für den Kontakt 5 Player und weniger ein tonal oder rhythmisch spielbares Instrument. Aus einem Datenvolumen von 29 GB schöpft Thrill aus über 960 Klangquellen. Je zwei davon werden in zwei identisch aufgebaute und mit Effekten erweiterte Klanggeneratoren, die sogenannten Thrills, geladen und über die zentrale X-Y Tension Control gesteuert, der maßgebliche Bedeutung zukommt: Per Maus, XY-Pad, Tablet oder zwei zuweisbare externen Spielhilfen surft man durch einen Klangkosmos dynamisch gestaffelter Multisamples und moduliert die Effekte in ihrer Intensität. Einzigartig ist dabei die fließende Steigerung der Dramaturgie entlang der Y-Achse – der Thrill-Faktor.
Klangmaterial
Thrill zielt neben der Verwendung für die Spielevertonung und Klanginstallationen vor allem auf die Filmbranche. Herzstück des Instruments sind die Effektspielweisen eines 80-köpfigen Orchesters mit 14 Kontrabässen und Celli, einer 36-köpfigen Streichersektion, 16 Holz- und 14 Blechbläsern, ergänzt durch zahlreiche Perkussionsinstrumente. Geboten werden atmosphärische Effektklänge und komplexe Cluster, die durch den Cluster-Designer im Instrument zusammengestellt und editiert werden können. Auch trifft man auf repetitive, rhythmische und fragile tonale Elemente als Bestandteil eines emotional starken, malerischen Klangkosmos. Daneben findet sich ein breites Repertoire an Hybridklängen: Dabei kommen nicht nur Orchesterverfremdungen, sondern auch eigens für Thrill gefertigte Instrumente zum Einsatz, darunter Klangapparate aus Sprungfedern oder mit Trockeneis bearbeiteten Metallkonstruktionen. Ergänzend finden sich Stimmeffekte mitsamt Obertongesang, verfremdete Naturaufnahmen sowie Klänge aus einem riesigen Modularsystem. Die entstandenen Sounds überzeugen durch Vielschichtigkeit, Tiefe und geschmackvolle Komposition. Die Originalaufnahmen sind dabei vielfach zu übernatürlichen, großartigen Klangevolutionen verschmolzen – eine Meisterleistung des Sound-Designs.

Eigene Klänge
Neben den globalen Vorlagen finden sich Komplettkonfigurationen für beide Thrills sowie einzelne Klangquellen auf Thrill-Ebene. Die vielen 100 Snapshots und über 600 Thrills sind in die Kategorien Atmospheres und Cluster unterteilt. Ein komfortabler Browser mit den Attributen Dynamikverhalten, Klangquelle und Charakter erleichtert die Suche. Per Zufallsgenerator können komplette Klänge oder nur Teilaspekte (Klangquelle, Voicing, Effekte) zufällig variiert werden, mitsamt Undo/Redo. Atmosphärische Klänge bestehen aus je zwei stimmbaren, übereinandergeschichteten oder entlang der Y-Achse überblendbaren Layern, jeder mit Lautstärke- und Panoramaregler. Alle sinfonischen Instrumente verfügen über drei Mikofonierungen, nah, fern und Mix, über eine regelbare Einschwingzeit und optionale Ausklingsamples. Für besonders spektakuläre Sounds bietet sich eine Klangverdichtung namens Spread mit 13 alternativen Cluster-Effekten an: Hier werden weitere Klangebenen addiert. Dabei entstehen in den Höhen wunderbar detailreiche Klänge oder auch tiefenlastige, donnernde und grollende Effekte. Im Cluster-Designer lassen sich mehr als 150 alternative Cluster-Voicings anstelle des Layer-Prinzips der Atmospheres in bis zu acht übereinander geschichteten Stimmen erzeugen. Dabei handelt es sich nicht um virtuelle Klone eines Instruments, sondern um unterschiedliche Samples und Spielweisen. Alle Voicings sind separat in Pegel, Panoramaposition und Stimmung justierbar. Sie bauen sich entlang der Y-Achse der Tension Control wahlweise gleichzeitig oder nacheinander auf. Im alternativen Glide-Modus starten alle Voicings mit der Tonhöhe der gespielten Note und bewegen sich dann zu ihrer eingestellten Transponierung – willkommen im Geisterhaus. Das Cluster-Konzept von Thrill ermöglicht einzigartige Klangfahrten, wie man sie zuvor nur durch aufwändige Automationen mehrerer Instrumente erzeugen konnte: So kann man etwa eine kristallklare Blechbläser-Fanfare nahtlos in einen unheilverkündenden, schrägen und brüchigen Klang überblenden – ideal für Übergänge von friedlichen und harmonischen zu unerwartet nervenaufreibenden Szenen – ein Klassiker jedes Psycho-Thrillers

Effekte
Beide Thrills verfügen über identisch aufgebaute Effektblöcke, die in ihrer Intensität entlang der Y-Achse der Tension Control moduliert und damit simultan zur Klangverdichtung dramaturgisch eingesetzt werden können. Mittels „Mutate“ wird das Klangspektrum anhand von Impulsantworten verfremdet. Hier entstehen etwa flirrende metallische Resonanzen, Plastikröhren- oder glockenähnliche Sounds. Rund 100 Impulsantworten liefern ein breites Angebot an Mutationen, denen mit Color ein Equalizer/Filter mit über 20 Charakteristika folgt, darunter auch exotische Modelle, deren schrille Resonanzen Hochspannung vermitteln. Drive bietet 13 Verzerrer von Röhren- und Bandsättigung über Overdrive bis zum Bitcrusher. Das Stereomodul erlaubt neben dem Schaffen eines Breitband-Panoramas auch enge Fokussierungen des Klangbilds. Ein Phaser erzeugt unter anderem scharfe, singende Klangfarben oder gespenstisches Leiern. Abschließend gibt es einen halbparametrischen Vierband-Equalizer und einen Faltungshall, der im Link-Modus identisch für beide Thrills ausfallen kann. Neben klassischen Räumen, sphärischem Ambiente, Platten- und Resonanz-Effekthall, alle mit regelbarer Raumgröße und Distanz, trifft man hier auch auf ein temposynchronisierbares Echo und einen Rückwärtshall – ideale Kandidaten für das Erschaffen mystischer Klangwelten. Vor dem Ausgang findet sich zur globalen Bearbeitung schließlich noch ein weiterer halbparametrischer Dreiband-Equalizer, eine einfache Sättigung und ein Kompressor.
FAZIT
Thrill bietet eine Vielzahl spektakulärer und produktionsfertiger Klänge für spannungsgeladene bis düstere Motive. Effektspielweisen eines 80-köpfigen Orchesters, atmosphärische Klangevolutionen, Cluster und bislang ungehörte Hybridklänge verschmelzen zu atemberaubenden Klangfahrten. Die Verwendung reicht von der Filmmusik bis zur Klanginstallation. Darüber hinaus ist Thrill ein Speziallabor für eigene Psycho-Klänge, die unter die Haut gehen. Die zentrale Tension Control hat es in sich: Hier überblendet man dynamisch zwischen zwei bis vier Basisklängen samt Effektblock und gestaltet Spannungskurven mit simplen Mausbewegungen im XY-Feld. In Echtzeit zeichnet man aberwitzige Klangmetamorphosen: Je höher man das Fadenkreuz bewegt, desto dichter, lauter und bedrohlicher wird der Klang. Einfacher und spektakulärer war die Gestaltung einer Spannungskurve noch nie. Die Bedienung gelingt spielerisch, die Audioqualität ist exzellent, der Preis angemessen.
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