Interview: Thomas Foster über die Produktion von Jingles

Thomas Foster in seinem Studio. Fotos: Marc Stickler
Thomas Foster: Mit 22 Jahren hatten mein Freund und Partner Peter Kent und ich gerade unsere neue Single „flying is better then sex“ fertig und waren der festen Überzeugung, unseren ersten großen Hit produziert zu haben. Ö3 vom ORF war damals die einzige Radiostation in Österreich, die Popmusik gespielt hat. Also machten wir uns auf den Weg nach Wien, um die Mitarbeiter von Ö3 davon zu überzeugen, unseren Song zu spielen. Zu unserem großen Erstaunen haben wir eine Absage erteilt bekommen. Einer der Moderatoren meinte jedoch, der Sound wäre gar nicht so schlecht und daher könnten wir einmal versuchen, ein paar Jingles für seine Radiosendung zu produzieren. Genau das haben wir dann auch gemacht.
Diese Jingles kamen sehr gut an und nach kurzer Zeit produzierten wir die Jingles für weitere Sendungen, Nachrichten, Wetter und Verkehr. Ein paar Jahre später wurden wir mit dem gesamten akustischen Design für das ORF-Fernsehen betraut. Heute laufen unsere Jingles auf den erfolgreichsten Radio- und TV-Stationen der Welt, darunter New York, Moskau und China.

Thomas Foster: Wir sind bei Foster Kent drei Personen, die Musik produzieren, (Robert Zimmer, Peter Kent und ich), daher haben wir auch drei Studios. Alle Studios sind mit Mac Pros ausgestattet, auf denen Logic Pro, Ableton Live und Bitwig Studios zum Einsatz kommen. Wir haben schon immer lieber mit Sounds und Produktions-Tools aus dem Computer gearbeitet.
Thomas Foster: Das kann natürlich extrem unterschiedlich sein, je nach Emotion und Genre. Einige Produktionen leben natürlich von Reduktion. Aber ich versuche diese Frage so zu beantworten: Bei den meisten Produktionen starte ich in Bitwig Studio mit einem sogenannten „Default Song“. Also eine Bitwig-Datei, die bereits all meine Lieblingssounds geladen hat. Diese sind in zehn Gruppen unterteilt: Drums, Sound Effects, Bass, Chords, Synthesizer, akustische Gitarren, elektrische Gitarren, Vocals, Melodien und Orchester. Manche Gruppen, wie die Soundeffekte, haben nur vier Spuren. Andere, wie die Vocals, haben über 30 Spuren. Bei vielen Produktionen kommen über 80 Prozent dieser Spuren auch zum Einsatz. Eine Produktion, die über hundert Spuren hat, ist bei uns keine Seltenheit. Eine Produktion, die mit nur drei Spuren auskommt, aber auch nicht – und das ist im Zweifelsfall sogar schwieriger.
KEYS: Fangt ihr bei der Produktion erst mit einer eingängigen Melodie an oder mit Beats oder etwas anderem?
Thomas Foster: Meistens steht bei einer Jingle-Produktion die ID im Zentrum. Das ist eine Tonfolge, auf die der Stationsname gesungen wird, die dann auch immer wieder instrumental in den Musikbetten, im Nachrichten-Jingle und in allen anderen Elementen zu finden ist. Zu dieser Tonfolge entscheidet man sich, bevor man mit den einzelnen Jingles beginnt. Danach entscheidet man sich für eine Tonart. Man weiß, wer die Sänger sind und in welchem Bereich sie gut klingen. Bei einem hotten Jingle wählt man eine etwas höhere Tonart, bei einem soften Jingle wählt man eine Tonart, in der der Sänger etwas tiefer und daher weicher singen kann. Dann starten wir meistens mit dem Beat. Wobei ich mich damit selten länger das drei Minuten aufhalte. Kick, Snare und Hi-Hat, mit einem Standardsound eingespielt, sind vollkommen ausreichend, um weiterarbeiten zu können. Erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn das Arrangement etwas voller klingt, komme ich zu den Drums zurück, überprüfe noch einmal die Sounds und ergänze sie um weitere Beats, Percussions und Effekte. Danach widmen wir uns der Komposition. Meist mit einem Klavier oder Rhodes spielt man die Akkorde und die wichtigsten Melodien ein, die später gesungen oder gespielt werden. Erst wenn die Komposition wirklich hundertprozentig überzeugt, wird das Arrangement erzeugt: Bass, Keys, Synthesizer, Orchester und so weiter. Die Gitarren und die Orchester-Parts spielen wir gerne mal mit Plug-ins ein, aber ersetzen oder ergänzen sie später mit echten Instrumenten. Allerdings gibt es auch Produktionen, bei denen wir uns für einen ganz anderen Workflow entscheiden. Gerade bei moderneren Produktionen, beispielsweise für eine CHR-Station (Contemporary Hit Radio), also eine Station, die die aktuellen Hits für ein eher junges Publikum spielt, komponieren wir am Anfang ganz simple Playbacks, um die Gesänge aufzunehmen. Anschließen werfen wir alles außer den Gesang weg und fangen mit den Gesängen an herumzuspielen, interessante Effekte zu erzeugen und ergänzen diese dann mit einem Arrangement.

Thomas Foster: Ein guter und überzeugender Gesang ist das Wichtigste an einer Jingle-Produktion. Deshalb ist das ein extrem wichtiges und schwieriges Thema. Manchmal kennt die Radiostation vor Ort gute Sänger, aber in vielen Fällen ist das unser Problem. Zum einen erkundigen wir uns, welche Sänger schon für diesen Markt bei anderen Produktionen gesungen haben, zum anderen sind Casting-Shows wie „The Voice“ und „Pop Idol“ (die internationale Version von DSDS) ein guter Pool. Aber auch im Internet tun sich immer neue Plattformen auf, die hier sehr hilfreich sein können, wie zum Beispiel soundbetter.com, mit der wir immer wieder sehr gute Erfahrungen machen.
Thomas Foster: Jingles zu produzieren ist eine wirklich sehr spannende Herausforderung. Man muss in wenigen Sekunden die Geschichte erzählen, die andere in drei Minuten erzählen können. Jedes einzelne Element soll eine interessante akustische Reise sein. Darüber hinaus soll sich durch alle Jingles ein roter Faden ziehen, der sie miteinander verbindet und dem Hörer den Eindruck gibt: „Du bist zu Hause, bei deiner vertrauten Station.“ Jeder Jingle steht für das Image der Station und dieses sollte ein positives und modernes, aber auch ein organisches und vielfältiges sein.
Man denkt immer wieder: „Ich habe bereits viele Tausende Jingles produziert, das geht nach Schema F“, dann stellt man aber fest, jeder neue Jingle ist eine neue Herausforderung und hat andere Kriterien, die er braucht, um zu überzeugen.
Thomas Foster: Wir haben vor etwa zwei Jahren, zusammen mit dem IT-Experten Paul Leitner, unser neues Start-up mugent.com gegründet, welches sich zum Ziel gesetzt hat, die Art und Weise, wie wir heute Musik produzieren, deutlich zu verändern. Da hatte ich den Gedanken, einen Youtube-Kanal zu starten, um näher an der Zielgruppe zu sein und besser zu verstehen, was sie bewegt und wie sie arbeitet. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, wie viel Spaß es mir macht, mein Wissen weiterzugeben. Die Resonanz der Nutzer war zudem großartig. Gestartet habe ich mit ein paar Tutorials für Ableton Live. Danach habe ich Tutorials für Logic und Bitwig gemacht, da ich diese DAWs auch gut kenne. Und dann habe ich angefangen, weitere DAWs zu lernen, um darüber Tutorials zu machen: Cubase, FL Studio, Studio One und Reason. Mittlerweile gibt es wenig relevante Programme oder Plug-ins, zu denen man kein Tutorial auf meinem Youtube-Channel findet. Die Idee, einen Podcast mit dem Namen „Thomas Foster Musikproduktion“ zu starten, kam von einem Podcaster, der mit mir ein Interview machte und mich davon überzeugte, dass Podcasts wieder populär sind. Am Anfang war ich skeptisch, ob es funktionieren würde, ein Thema, in dem die Software, die man sehen sollte, eine so große Rolle spielt, als Audio-Podcast umzusetzen. Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr war ich von der Idee „Lerne, mit geschlossenen Augen oder bei einer Autofahrt, wie Musikproduktion funktioniert“ fasziniert. Natürlich kann keiner, nach dem er meinen Podcast gehört hat, Cubase bedienen. Aber man bekommt Grundwissen vermittelt und versteht dann beispielsweise, welche Aufgabe ein EQ hat, wofür man einen Kompressor braucht oder wie man Stimmen bearbeitet. Kurzum: Wie Musikproduktion funktioniert.

KEYS: Neben deinen Youtube-Videos bist du auch dabei, einen Twitch-Kanal aufzubauen. Welche Inhalte gibt es dort und worin unterscheiden sie sich vom Podcast und Youtube?
Thomas Foster: Twitch hat ein wesentliches Merkmal: Alles ist live. Rein technisch gesehen ist das auf Youtube auch möglich. Während Youtube aber nach wie vor für vorproduzierte Videos steht, steht Twitch dafür, ein Teil eines Live-Events zu sein und das Angebot, über den Chat auch live Fragen stellen zu können. Dementsprechend findet man auf Youtube vorproduzierte Tutorials von mir, während die User auf Twitch die Möglichkeit haben, bei einer gesamten Produktion live dabei zu sein, zu interagieren, quasi ein Teil der Produktion zu sein.
Aktuell produziere ich mit dem Frankfurter DJ und Produzenten DJ KC, alias Kai Soffel, Cover-Songs von bekannten James-Bond-Songs wie „A View To A Kill” und „Licence To Kill”. Ein Bond-Song nach dem anderen. Das Ganze findet seinen Höhepunkt, wenn wir im Oktober, passend zum Start des Kinofilms „No Time To Die“, ein Cover des aktuellen James-Bond-Songs von Billie Eilish produzieren und releasen. Wer Lust hat, dabei zu sein, geht einfach freitags um 19:30 Uhr auf meinen Twitch-Kanal „Thomas_Foster_music”.
KEYS: Kommen wir nochmal auf deine Sample-Plattform Mugent zu sprechen. Sind die Samples kostenfrei und für welche Genres eignen sie sich?
Thomas Foster: Die Website von Mugent ist ein erstes Lebenszeichen von uns: „Hallo, wir sind hier und wir machen uns Gedanken, was ihr Produzenten braucht“. Deshalb sind über 90 Prozent der Samples gratis. Viele Samples habe ich in großen Studios in Istanbul, auf Hawaii, in London und an vielen anderen Plätzen aufgenommen oder sie wurden von uns in unserem Studio produziert. Viel Zeit ging in die Erfassung der Metadaten. Dadurch kann man nicht nur eine Textsuche nutzen, sondern auch über Menüs das Instrument, Genre, Tonart oder das Tempo einkreisen, um Samples zu finden, die exakt den gewünschten Kriterien entsprechen. Alle Daten liegen auf einem Server bei der Firma Amazon und sind damit extrem schnell verfügbar. Die Nutzer benötigen bei uns übrigens kein Konto. Und obwohl die Samples gratis sind, dürfen sie kommerziell eingesetzt werden. Das ist quasi unser Willkommensgeschenk an die Community der Musikproduzenten. Unsere schnell zunehmenden User-Zahlen zeigen: Wer einmal Mugent gefunden hat, kommt regelmäßig zu uns.
Thomas Foster: Ich plane gerade ein zusätzliches Studio in meinem neuen Zuhause in Salzburg. Dieses Studio verfolgt ein neues Konzept, an dem ich seit einiger Zeit plane. Zum einem soll es für das Thema Video und Streaming optimiert sein. Ich werde dort also mehrere Kameras haben, die ich schnell und einfach umschalten kann. Wirklich spannend wird es aber, wenn es zum Thema Controller kommt. Auf Youtube findet man viele Videos von Leuten, die einen kurzen Track live performen und durch eine Art Loop-Maschine (meistens Ableton Live) live einspielen. Das bedeutet, ein Track wird nicht an einem oder mehreren Tagen produziert, sondern die Produktion dauert genauso lange wie der Track selber. Also etwa drei Minuten. Davon versuche ich viel für mein neues Studio zu lernen. Ich versuche also, die klassische Produktionsweise einer DAW wie Cubase oder Logic mit dieser Art der Live-Performance zu kombinieren.
Die Frage, die ich mir stelle, ist: Ist es möglich, einen kompletten Track zu produzieren, ohne die Maus in die Hand zu nehmen? Dabei verzichte ich komplett auf Tools wie Ableton Push oder Native Instruments Maschine, bei denen man viele Knöpfe drücken muss, um zu bestimmen, welche Funktion ein Regler hat. Das kostet so viel Zeit, dass man aus meiner Sicht mit der Maus dann doch schneller ist.
Je länger ich mich mit diesem Konzept beschäftige, desto spannendere Wege und Ideen tun sich auf, herkömmliche Workflows komplett in Frage zu stellen und ganz andere Wege zu gehen. Auf meinem Youtube-Kanal werde ich natürlich all diese Ideen in spannenden Videos als Inspiration dokumentieren.
KEYS: Du hast auch letztes Jahr dein Erstlingswerk „EDM komponieren“ geschrieben. Welche Erkenntnisse kann man aus diesem Buch bekommen und sind Vorkenntnisse notwendig?
Thomas Foster: Durch meinem Youtube-Kannal habe ich das Hauptproblem entdeckt, das meine Abonnenten beschäftigt: Ein DJ kann zwar in wenigen Tagen lernen, wie man mit Ableton Live arbeitet, wie ein EQ funktioniert und wie man einen Beat programmiert. Aber wenn es darum geht, Noten in der Pianorolle einzugeben, wird es schwierig, denn Musiktheorie lernt man nicht mal schnell in wenigen Tagen, sondern eher in vielen Jahren.
Da hatte ich die Idee, ein Buch zu schreiben, das die Musiktheorie auf das Minimum reduziert, das man braucht, um zu verstehen – was ein Akkord ist, welche Akkorde zusammenpassen, um eine Harmonieabfolge zu schreiben, und wie man darüber eine Melodie komponiert. Dabei habe ich alles weggelassen, was jemand, der Töne in der Pianorolle eingeben möchte, nicht zwingend braucht. Zum Beispiel lernt man in meinem Buch keine Noten. Stattdessen gibt es unter jedem Beispiel einen QR-Code, auf den man sein Handy halten kann und sofort ein Video bekommt, in dem man dieses Beispiel in der Pianorolle sieht und hört.
Dieses Interview wurde in KEYS 7/2021 veröffentlicht
Tags: Musikproduktion