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Interview: Jean-Michel Jarre – Electronica auf Tour

Im Unterschied zu anderen Vätern der elektronischen Musik blickt der 68-jährige Wahlpariser heute keinesfalls nur auf sein Werk zurück, sondern hat in den letzten zwei Jahren gleich drei Alben veröffentlicht, darunter das zweiteilige ambitionierte „Electronica“-Projekt, bei dem Jarre mit 30 namhaften Künstlern wie den Pet Shop Boys, Yello, Hans Zimmer, Moby, Armin Van Buuren und Lang Lang zusammenarbeitete.

Jean-Michel Jarre
Foto: Kuenster/monsterpics.de

Jean-Michel in Berlin

Wir trafen Jean-Michel Jarre zu seinem Konzert in der Berliner Zitadelle. Das Bühnenequipment bildet wie die beiden Alben „Electronica 1 & 2“ die Historie der elektronischen Musik ab. Jarre und seine Mitmusiker Claude Samard und Stephane Gervais nutzen neben Plug-ins, etwa von Native Instruments, eine wahrhaft stattlliche Hardware-Sammlung, darunter Memorymoog und der DSI Prophet Rev. 2 für polyphone Klänge, GRP A4 und Arp-2600-Modularsysteme, die monophonen EMS AKS, Macbeth Elements, Arturia Matrixbrute und Moog Sub 37. Weitere Instrumente sind Rolands TR-8 und die legendäre Laserharfe. Neben einem iPad setzt Jarre auch den riesigen Touchcontroller Smithson Martin Emulator Dual View System ein.

KEYS: Was bedeutet der Terminus Electronica für dich?
Jean-Michel Jarre: Für mich steht dieser Begriff nicht in der Bedeutung, wie er in den Neunzigern geprägt wurde. Da hat man eine Schublade erschaffen, in die elektronische Musik abseits von Dance­floor und EDM gelegt wird. Für mich ist alles elektronische Musik, und es gibt eben Musik mit Aspekten wie Dance, Techno, House oder experimentelle Ansätze. Hinter diesem Begriff steht vielmehr eher ein Bezug auf die griechische Göttin des Lichts und der Energie, Elektra. Ich wollte diesen Begriff in das 21. Jahrhundert transportieren – Elektra als Göttin des digitalen Zeitalters.

KEYS: Mit welcher Motivation hast du dich an deine Kollaborationspartner gewandt?
Jean-Michel Jarre: Alle meine Kollaborationspartner waren für mich irgendwo inspirierend. Dazu sind sämtliche Künstler über die elektronische Musik direkt oder indirekt mit dem Begriff Technologie verbunden. Eines der Hauptthemen in „Electronica“ ist unser ambivalentes Verhältnis zur modernen Technik. So gibt es etwa in „Watching You“ mit 3D von Massive Attack um die Orwell‘sche Vision, bei der uns die Technik beobachtet. „Swipe to the Right“ mit Cyndi Lauper beschreibt das Verlieben im Zeitalter der Smartphones, und die Zusammenarbeit mit Edward Snowden auf „Exit“ ist ein Statement zu den Gefahren der Nutzung von Technik in den falschen Händen. Bei der Umsetzung gab es zwei Vorgaben: Zum einen wollte ich meine Partner persönlich treffen. Zum anderen wollte ich meine musikalische Vision der Zusammenarbeit bereits als Demo für den spezifischen Künstler vorliegen haben. Aber natürlich bot dieser Entwurf immer auch genügend Raum für den jeweiligen Künstler, um den Titel zu komplettieren.

Jean-Michel Jarre im Studio
Jean-Michel Jarre im Studio // Foto: Constantin Mashinskiy

KEYS: Komponierst du mit einer Bühnenumsetzung im Hinterkopf?
Jean-Michel Jarre: Nein, viemehr vermeide ich es regelrecht, bei der Arbeit im Studio an eine Bühnenumsetzung zu denken. Ich habe das in der Vergangenheit getan und hatte dabei das Gefühl, den Soundtrack für eine Bühnenshow zu inszenieren. Das funktionert nicht für mich, also befasse mich im Studio nur mit der Musik. Sobald das Projekt abgeschlossen ist, starte ich von Neuem: Auf Basis einer Setliste widme ich mich der Liveumsetzung. In diesem Fall war klar, dass ich die Künstler, mit denen ich für Electronica zusammenarbeitete, nicht oder nur in Ausnahmefällen dabei haben würde. Es muss also auch ohne diese Musiker funktionieren. Der nächste Schritt ist dann die Konzeption der visuellen Effekte für die jeweiligen Titel.

KEYS: Kannst du uns etwas zur Bühnenumsetzung erzählen?
Jean-Michel Jarre: Mein Ziel ist es, dem Publikum neben der Musik eine passende visuelle Komponente zu liefern, die wir mit LED-bestückten Gittern umsetzen. Im Unterschied zu konventionellen LED-Panels hat der Zuschauer dabei eine Sicht auf das Bühnengeschehen und nimmt die Grafiken als dreidimensional wahr. Wir mischen hier moderne Technik und Ansätze, die man von Theaterinistallationen kennt. Ich konzipierte die Lösung modular, um die visuellen Aspekte auf jeder Bühnengröße erhalten zu können. Verglichen mit meinem Konzert in Masada am Toten Meer und der dortigen 70-Meter-Bühne ist die Zitadelle in Berlin eher klein. Auf musikalischer Ebene sind wir von nahezu fünfzig Instrumenten umgeben, die von alten analogen Modularsystemen bis hin zum iPad reichen. Die Tour begann im letzten Jahr und wir werden letztlich in etwa 30 Ländern Station machen. Dabei verändert sich das Projekt seit dem Debüt in Barcelona bis heute konstant. Neben der Setliste haben sich auch die Visuals weiterentwickelt, und ich sitze bereits an einer neuen Variante für 2018.

KEYS: Wie sieht ein typischer Studiotag bei dir aus?
Jean-Michel Jarre: Ich bewundere Musiker wie Boris Blank (Yello) oder Damon Albarn (Gorillaz), die wochentags von 9-17 Uhr in ihren Studios arbeiten. Bei mir ist es anders: Wenn ich einmal angefangen habe, kann ich nicht mehr aufhören. Dazu bin ich eine ziemliche Nachteule und verbringe generell viel Zeit und auch Nächte in meinem Studio in Paris. Für das Electronica-Projekt habe ich aber auch in anderen Studios in den USA und Europa gearbeitet.

Jean-Michel Jarre
Jean-Michel Jarre Foto: Herve Lassince

Zur Person – Jean-Michel Jarre

Wer Jean-Michel Jarre in den Siebzigern und bei seichter Elektronik verortet, liegt richtig und falsch zugleich. Mit „Oxygène“ schuf der Sohn des Filmkomponisten Maurice Jarre („Lawrence von Arabien“) 1976 ein elektronisches Konzeptalbum, das mit seiner Melange aus damals neuen Klängen und geschmackvollen Melodien den Nerv von Millionen Zuhörern traf.

Vierzig Jahre später hat Jarre nahezu alles erreicht, was man sich als Populärmusiker wünschen kann. Er hält mehrere Einträge im Guiness-Buch der Rekorde für die jeweils größten Konzertveranstaltungen, etwa am Pariser Place de la Concorde (1979, eine Million Zuschauer), La Défense in Paris (1990, 2,5 Millionen Zuschauer) und zur 850. Jahresfeier der Stadt Moskau (1997, 3,5 Millionen Zuschauer).

KEYS: Inwieweit spielt die Klangauswahl eine Rolle für das Konzept eines neuen Projekts?
Jean-Michel Jarre: Ich arbeite auf einer eher intuitiven Ebene. Zum Beispiel findet sich auf „Zoolook“ (1984) viel Samplingtechnik, weil diese Technik mir damals eben ganz frisch mit dem Fairlight zur Verfügung stand. Gleichzeitig kehrte ich zurück zu meinem Studium unter Pierre Henry, den ich zu meinen musikalischen und spirituellen Vätern zähle. Heute ist übrigens der Tag seiner Beerdigung, weshalb ich ihm dieses Konzert widme.

KEYS: Gibt es andere Alben, die dir besonders am Herzen liegen?
Jean-Michel Jarre: Zumindest für mich ist es schwer, nach dem Entstehungsprozess eines Albums, diese Musik später neutral anhören oder beurteilen zu können. Das Electronica-Projekt ist aufgrund der Zusammenarbeit mit zahlreichen Künstlern ebenso interessant und dazu eine wirklich einzigartige Erfahrung. Und schließlich ist auch „Oxygène 3“ spannend, weil es den Aspekt eines Sequels aufgreift – eine Methode, die ich in der Literatur und in Filmen sehr schätze, die jedoch in der Musik kaum Anwendung findet. Mir gefällt die Idee, dass es sich bei „Oxygène 3“ um eine „dritte Staffel“ handelt.

KEYS: Erwägst du, das Electronica-Projekt fortzusetzen?
Jean-Michel Jarre: Ein Journalist hat das Konzept von „Electronica“ als Konzept eines niemals endenden Albums bezeichnet. Eine Idee, die mir gefällt. Mit seinem Abschluss hat das Projekt tatsächlich ein gewisses Eigenleben entwickelt, etwa in Form von Anfragen anderer Künstler. Gleichzeitig ist meine eigene Wunschliste natürlich auch noch nicht komplett. Es gibt also noch jede Menge Potenzial. Ich würde da gern mehr erzählen, wenn es bereits Pläne geben würde. Aktuell kann ich nur sagen, dass ich nach fünf Jahren Arbeit an „Electronica“ keinesfalls dauerhaft aufhöre, um mich etwa exklusiv anderen Dingen zu widmen. Mir gefällt die Idee der Zusammenarbeit sehr, insbesondere, weil der Grad der Isolation in unseren Studios immer weiter zunimmt. Und vor allem habe ich über die Zusammenarbeit mit den Künstlern einen neuen parallelen Weg neben meinen eigenen Projekten entdeckt.

KEYS: Ist Surround heute noch ein Thema für dich?
Jean-Michel Jarre: Nun, die Musiktechnik hat sich von Mono zu Stereo, zur Quadrophonie und zu 5.1-Surround entwickelt. Leider hören wir heute aber oft nur über miniaturisierte Lautsprecher aus einem Smartphone oder Kopfhörer. Ich habe mich mit „Aero“ (2004) intensiv mit Surround auseinandergesetzt. Dann hatte ich ein Schlüsselerlebnis: Jemand zeigte mir stolz sein neues 5.1-System, bei dem er die Lautsprecher und Subwoofer einfach ahnungslos übereinandergestellt hatte. Da habe ich etwas frustriert aufgegeben. Man muss allerdings auch ehrlich zugegeben, dass Raumklang eher für Kinos als für Wohnzimmer konzipiert ist. Dort gibt es einfach zu viele Einschränkungen, die eine gute Klangreproduktion meist zu kompliziert gestalten.

Jean-Michel Jarre
Jean-Michel Jarre Live

Live und auf der Leinwand

Er wurde nach der Mao-Ära als erster Künstler nach China eingeladen und spielt in Houston ein NASA-Konzert. Sein Millenium-Konzert in Gizeh wurde von knapp 2 Millarden TV-Zuschauern verfolgt. Hinzu kamen Einzelauftritte in Versailles, der Akropolis und der Verbotenen Stadt in Peking sowie politisch motivierte Konzerte in Merzouga (Marokko) und Masada am Toten Meer. Jarre komponierte neben Soloalben auch Soundtrackbeiträge für „9 1/2 Wochen“ oder den Jean-Jaques-Cousteau-Unterwasserfilm „Palawan“. Schließlich ist Jarre seit über 20 Jahren Botschafter der UNESO und seit 2013 Präsident der weltweiten Künstlervereinigung CISAC.

KEYS: Aber du könnest es live umsetzen .
Jean-Michel Jarre: Ich arbeite in der Tat an einer dreidimensionalen Umsetzung des Klangbilds. Diese soll nicht mehrkanalig, sondern als Virtualisierung auf der Basis von Stereolautsprechern erfolgen, live oder zuhause. Ich möchte dabei künftig eine Erweiterung des Klangbildes wie bei den Visuals erreichen. Das ist der nächste Schritt für mich. Ich arbeite hierfür mit einer französischen Firma (3D Sound Labs) zusammen, die ein herausragendes System der Virtualisierung entwickelt haben, das die Phasenprobleme vieler Konkurrenten nicht aufweist.

KEYS: Seit einigen Jahren gibt es ein Revival elektronischer Hardware. Verfolgst du diese Bewegung?
Jean-Michel Jarre: Natürlich. Diese Bewegung spricht unter anderem eine junge Generation an, die vielleicht aus der DJ-Produktion mit CDs, USB-Sticks oder Schallplatten kommt und bei denen man oft mit Controllern arbeitet. Nun bietet sich wieder ein Markt, der neue Optionen eröffnet. Es gibt die Möglichkeit, eine Technik zu entdecken, die seit 50 Jahren existiert und mit der man kreativ Musik machen kann. Mir gefällt es, wenn junge Musiker zurück zu den neuen modularen Klangerzeugern wechseln. Ich habe tatsächlich gestern längere Zeit in Schneidersladen verbracht. Das Revival ist da und findet auf der Basis des Euroracks statt. Bei genauerem Hingucken wird allerdings schnell klar, dass es eben nicht wie früher ist: Heute sind es keine großen Moog-Systeme oder ein ARP 2500 mehr, sondern jede Menge Eurorack-Module unterschiedlicher Hersteller, die zusammenarbeiten. Und der wahre Segen der heutigen Zeit ist doch, dass man diese Technik mit Plug-ins, anderen virtuellen und auch neuen analogen Instrumenten kombinieren kann. Hör dir den neuen Prophet Rev 2 von Dave Smith Instruments an – der klingt schlicht fantastisch. Gleichzeitig kann man aber auch digitale Instrumente oder Touchscreens einsetzen. Und das bringt mich zurück auf die Frage nach den Klängen, die für ein Projekt ausgewählt werden. Heute hast du eine immense Breite an Klängen und bist wie der Dirigent eines eigenen Symphonieorchesters. Du kannst Streicher auswählen, Bläser, eine Mischung aus Holzbläsern und Streichern mit Perkussion. Und all das wird durch die Kombination digitaler und analoger Technik möglich.

KEYS: Vielen Dank für das Gespräch.

Tags: Interview

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